Eine Woche ist es inzwischen her, dass die Freiburger Polizei das Linke Zentrum !adelante! durchsuchte. Zeit für eine erste Einschätzung und Einordnung der Geschehnisse:

Was war geschehen?
Am 08.06.2015 stürmten Polizeikräfte das Linke Zentrum !adelante! in Freiburg, um nach angeblichen Beweismitteln für einen Farbangriff auf eine Veranstaltungsörtlichkeit der AfD und einen Polizeiposten in der Nacht zuvor zu suchen (PM). Im Linken Zentrum befanden sich zu diesem Zeitpunkt drei Personen, die die Räumlichkeiten wenige Minuten zuvor betreten hatten und dabei offensichtlich von ZivilpolizistInnen beobachtet wurden. Nachdem zuerst ca. 10 ZivilpolizistInnen das Zentrum stürmten, kamen nach kurzer Zeit mindestens 30, mit Helmen ausgestattete PolizistInnen der Bereitschaftspolizei hinzu. Diese „sicherten“ nicht nur die Vorderseite des Hauses, sondern bewachten auch den Eingang zum Hinterhof und Hinterhaus. AnwohnerInnen wurden behindert und nur nach Aufnahme der Personalien in ihre Wohnungen gelassen. Die Glümerstraße, in der das Linke Zentrum sich befindet, wurde mit quer gestellten Streifenwagen versperrt. Die anwesenden Personen wurden zunächst aus den Räumen gedrängt, einen Durchsuchungsbeschluss hatten die ZivilpolizistInnen, die die Räume zuerst betraten, nicht bei sich. Erst der später eintreffende Einsatzleiter händigte den Anwesenden den richterlichen Durchsuchungsbeschluss aus. Da die Stadt Freiburg der wahnwitzigen Aktion so kurzfristig keine Zeugen beiseite stellen konnte, begann die Polizei unbeaufsichtigt das Zentrum zu durchwühlen. Einzelne Personen konnten die Durchsuchung nach Personalienfeststellung zumindest teilweise als ZeugInnen beobachten. Sie wurden dabei jedoch massiv behindert, indem die BeamtInnen ihnen provozierend das Sichtfeld verstellten. Einige Räume wurden daher vollständig ohne ZeugInnen durchsucht. Auch in den Mülleimern des Linken Zentrums vermutete die Polizei einen Erkenntnisgewinn.

Rote Farbe ist nicht kriminell.
Das „beweisrelevante Material“, von dem Polizeisprecherin Riske in der Badischen Zeitung fantasierte, und das angeblich bei der Durchsuchung des Linken Zentrums gefunden worden sein soll, können wir beim besten Willen nicht erkennen. So wurden bei dem Farbanschlag auf den Veranstaltungsort der AfD laut BZ mit Lackfarbe gefüllte Weihnachtsbaumkugeln eingesetzt. Um doch nicht mit leeren Händen abziehen zu müssen, beschlagnahmte die Polizei kurzerhand Schraubgläser, Computer und rote  handelsübliche Wandfarbe. Die Linke Liste Freiburg merkte hierzu richtigerweise an, dass die rote  Dispersionsfarbe, wie es sie auch in ihren Räumen gibt, nahezu überall zu finden sein dürfte. Lackfarbe und Christbaumschmuck, von denen in der Presse in  Zusammenhang mit dem Hotel Schiff die Rede war, wurden nicht beschlagnahmt.

Gelegenheit macht Diebe
Angesichts der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses, der den Zusammenhang zwischen Linken Zentrum und Farbanschlag lediglich über Aufrufe zur Störung der AfD-Veranstaltung herstellt, überrascht die „Ausbeute“ der Durchsuchung kaum. Wollte der Freiburger Staatsschutz hier einfach mal ins Blaue schießen und hoffte wirklich, Beweise für den Farbanschlag zu finden?
Der Freiburger Staatschutz wollte scheinbar einfach die günstige
Gelegenheit nicht verstreichen lassen, mal das Linke Zentrum von innen zu Gesicht zu bekommen. Dabei trafen sie auch noch auf einen Richter, der anscheinend jeden noch so abstrus begründeten  Durchsuchungsbeschluss unterschrieben hätte. Die  BereitschaftspolizistInnen, die sowieso schon für den Schutz der AfD-Veranstaltung vorgesehen waren, konnte der Staatsschutz gleich mitnehmen und so eine einschüchternde Drohkulisse vor dem Linken Zentrum aufbauen. Wofür bräuchte es sonst über 40 BeamtInnen, um Räumlichkeiten zu durchsuchen, von denen die Polizei weiß, dass sie kurz zuvor von lediglich drei Personen betreten wurden?
Nach der Durchsuchung fuhren die BeamtInnen direkt weiter ins Forum Merzhausen, zur Sicherung der dorthin ausgelagerten AfD-Veranstaltung. In diesem Kontext fragen wir uns auch, ob der Zeitpunkt der Durchsuchung und der Beginn der Veranstaltung in Merzhausen nur zufällig kurz hintereinander lagen. So lange die AktivistInnen aus dem Linken Zentrum mit einer  Hausdurchsuchung beschäftigt sind, konnten sie schon mal nicht die Veranstaltung der AfD stören.

Staatsschutz on Tour
Die Gründe, unter den vielen GegnerInnen der AfD nun genau das Linke Zentrum zur Zielscheibe der Repression zu machen, liegen für uns nicht in der Aufforderung dort aktiver Gruppen, gegen die Veranstaltung der AfD zu protestieren. Vielmehr handelt es sich um einen recht jungen Teil linker Infrastruktur in Freiburg, der bisher noch nicht direkt im Fokus der staatlichen Repressionsorgane stand. Im Unterschied zu den schon viele Jahre bestehenden Institutionen der linken Szene in Freiburg, fällt es den Behörden hier schwerer, Strukturen und Zusammenhänge einzuschätzen. Gleichzeitig hat sich das Linke Zentrum zu einem zentralen Ort für die aktionsorientierte Freiburger Linke gemausert.
Viele Mobilisierungen, Kampagnen und Initiativen gingen von hier aus und entwickelten Strahlkraft. Klar, dass es den  Ermittlungsbehörden irgendwann nicht mehr genügte nur an Abfahrtsorten, Zugtreffpunkten oder vor Veranstaltungen herumzulungern. Ein Blick hinter die Kulissen, auf die  Hintergründe und Infrastruktur musste her, um das Bild zu
vervollständigen.
Zweifellos steckt Bernhard K. vom Freiburger Staatschutz hier wieder als die treibende Kraft hinter der Durchsuchung. Die Motivation des umtriebigsten Freiburger Staatschützers lässt sich zuletzt kaum noch mit beruflichem Engagement erklären. Seine akribischen Auswärtsfahrten zur Verfolgung linker FreiburgerInnen in andere Bundesländer, die gezielten Eskalationsversuche bei Veranstaltungen wie bei der letzten Bleiberechtsdemo, Ausraster, Sachbeschädigungen und Beleidigungen zeigen deutlich seine persönliche Abneigung gegen alles Linke.

Weitermachen!
Selbstverständlich wird das Linke Zentrum rechtlich gegen die
Hausdurchsuchung vorgehen. Sollte in Zukunft eine solche Begründung zur Durchsuchung linker Räumlichkeiten ausreichen, wäre es den Repressionsbehörden nach Gutdünken möglich, nach einem Protestaufruf oder Vorfall nahezu jeden Raum zu durchsuchen. Natürlich dürfen wir uns bei diesem Versuch, die Hausdurchsuchung für unrechtmäßig erklären zu lassen, keine Illusionen machen. Am Ende entscheiden die Büttel des selben Systems über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung, die sie erst
möglich gemacht haben.
Unabhängig von der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit heißt es also: Weitermachen! Staatliche Repression soll uns einschüchtern und vereinzeln. Das beste Mittel gegen dieses Ziel ist, weiterhin gemeinsam und solidarisch an einer befreiten Gesellschaft zu arbeiten!

Wir als AK Antirep Freiburg werden den Fall weiterhin begleiten und über die neuesten Entwicklungen berichten. Bei Fragen und Interesse an unserer Arbeit meldet euch unter  agantirepfreiburg@riseup.net oder kommt am 2. Freitag des Monats zur Anlaufstelle Antirepression ins Linke Zentrum.

16.06.2015, AK Antirepression Freiburg