Am 8. März 2017 gingen in Freiburg etwa 700 Menschen auf die Straße und folgten damit dem Aufruf eines breiten Bündnisses, von dem auch wir ein Teil waren. Einen ausführlichen Nachbericht zur Demo und Infos, zu all den Veranstaltungen, die den Frauenkampftag dieses Jahr begleiten, gibt’s auf der Seite des Bündnisses: 8maerzfr.tk

An dieser Stelle dokumentieren wir den von uns gehaltenen Redebeitrag:

Reclaim Feminism: revolutionär und antirassistisch!

Im Dezember erfuhren wir durch die Presse, dass im Fall der Ermordung einer Freiburger Studentin ein junger Afghane verdächtigt wurde.

Vergewaltigung und Mord sind durch nichts zu rechtfertigen. Umso ekelhafter war der Versuch der Freiburger AfD diese Tragödie zu instrumentalisieren und auf dem Rücken von Maria L. Hetze gegen geflüchtete Menschen zu verbreiten. Zum Glück schlug der AfD in Freiburg Widerstand entgegen. Ihre Kundgebung scheiterte an über 250 Gegendemonstrant_innen.

Anknüpfend an die rechten Instrumentalisierungsversuche nach der Silvesternacht 2015 wurde auch in der Freiburger Debatte so getan, als ob zwischen der Tatsache, dass Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland fliehen und hier leben, und dem Vorhandensein sexueller Übergriffe ein direkter Zusammenhang bestünde.

Doch wir betonen weiter hin: Das ist nicht der Fall! Es ist keine Frage, dass sich die sexuellen Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung in der Silvesternacht durch ein außergewöhnliches Maß kollektiver Gewalt gegen Frauen auszeichneten. Es ist keine Frage, dass wir uns genau anschauen sollten, was da passiert ist und wie es geschehen konnte.

Wir wehren uns aber dagegen, dass Antifeminist_innen und Rassist_innen Belästigungen gegen weiße Frauen instrumentalisieren, um die rassistische Diskriminierung nicht weißer Männer zu rechtfertigen. Sexismus musste nicht erst hierher importiert werden. Die Zahlen dazu haben wir eben gehört. Insbesondere alle, die das am eigenen Leib erfahren, wissen:

Sexismus und sexuelle Gewalt gibt es nicht erst seit kurzem. Und die Täter waren und sind in den allermeisten Fällen Männer – ob mit oder ohne deutschen Pass. Die Gewalt und Belästigung, mit der wir uns herumschlagen müssen, fällt nicht vom Himmel. Sie ist Teil und Ergebnis gesellschaftlicher Verhältnisse, die Frauen eine bestimmte Rolle und Position zuweisen.

Innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise findet eine Zweiteilung unserer Lebenswelt statt: eine Trennung in einen öffentlichen und einen privaten Bereich; eine Sphäre in der gegen Lohn gearbeitet und produziert werden soll und eine Sphäre, in der die Menschen ihre Arbeitskraft reproduzieren. Dazu gehören Kindererziehung, kochen, putzen und Wäsche waschen genauso wie die Pflege Alter und Kranker oder die Freizeitgestaltung.

Beide Bereiche stehen nicht einfach gleichberechtigt nebeneinander. Da im Kapitalismus das oberste Ziel die Vermehrung von Profit ist, soll die Reproduktionssphäre der Produktionssphäre dienen und ist von ihr abhängig. Gleichzeitig wurde die Haus- und Sorgearbeit überwiegend Frauen zugewiesen. Das bereits bestehende Patriarchat, die Unterordnung von Frauen gegenüber Männern, wurde dem Kapitalismus entsprechend genutzt und damit fortgeführt.

Die soziale Realität ist komplex. Geschlechterverhältnisse werden unn wandeln sich mit der Zeit. Trotzdem spielt diese Aufteilung und die entsprechende Vorstellung der Geschlechterrollen in unserem Leben immer noch eine Rolle.

Dazu gehören nicht nur die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt, Zuschreibungen wie sich Männer und Frauen gefälligst zu verhalten haben oder eine ungleiche Aufteilung von Hausarbeit, Care- und Sorgearbeit. Dazu gehört auch, das vermeintliche Recht von Männern über Frauen und ihre Körper verfügen zu können.

In Deutschland war Vergewaltigung in der Ehe bis 1997 legal. Hartnäckig hält sich der Gedanke, dass Frauen angeblich erobert werden müssten – im Zweifelsfall eben auch gegen ihren Willen. Sexualisierte Werbung präsentiert Frauen tagtäglich als Objekte. Und in Köln schlossen sich nach der massenhaften Belästigung von Frauen, andere Männer zusammen um (in Anführungszeichen) „ihre“ Frauen zu schützen. Damit stellten sie klar, wem diese Frauen ihrer Meinung nach gehörten und wer entsprechend das Recht hat über sie zu verfügen – und wer nicht. Die Opfer und ihre Bedürfnisse verschwanden in der Debatte.

Trotzdem: Wir haben viel erreicht und es lohnt sich weiter zu kämpfen!

Es ist zum Glück keine Selbstverständlichkeit mehr, Frauen einen eigenen Willen, inklusive sexuellem Selbstbestimmungsrecht, abzusprechen. Wer öffentlich anzweifelt, dass Frauen dieselben Rechte und Fähigkeiten haben, wie Männer muss mit Widerspruch rechnen. Die bürgerliche Kleinfamilie, mit entsprechender Arbeitsteilung ist nicht mehr die einzig legitime Form zu leben. Weibliche Erwerbstätigkeit soll gefördert werden.

Feminismus ist in aller Munde. Das ist etwas Gutes. Doch was haben wir davon?

Das Recht, nach einem anstrengenden Arbeitstag in die Kita zu hetzen und trotzdem noch kochen, putzen und Wäsche waschen zu müssen? Oder doch lieber, für die, die es sich leisten können, die Möglichkeit, eine unterbezahlte, höchstwahrscheinlich weibliche, vielleicht migrantische, Putzkraft anzustellen, um die freigewordene Zeit zu nutzen und ein bisschen Yoga zu machen? Es mag ein Fortschritt sein, dass Frauen Bundeskanzlerin oder Firmenchefin werden können. Doch wie Merkel, Petry, von der Leyen und andere eindrucksvoll beweisen: Die Politik wird dadurch nicht besser und die Wirtschaft nicht weniger kapitalistisch.

Das reicht uns nicht!

Feminismus läuft Gefahr neoliberal vereinnahmt zu werden. Der sogenannte „neue“ Feminismus, der feiert, dass auch Frauen heute Teil der Herrschenden sein können, ist nicht unserer. Denn das wollen wir gar nicht. Was wir wollen, ist eine Gesellschaft, in der Frauen nicht strukturell benachteiligt und unterdrückt werden. Wir wollen das Geschlechterverhältnis auf den Kopf stellen, anstatt es kapitalistischen Verwertungsansprüchen anzupassen.

Wie wollen einen Feminismus, der Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle erkämpft.