Im Oktober 2017 war eine Delegation der Antifaschistischen Linken Freiburg (IL), Organisierten Linken Heilbronn (IL) & Friends in Katalonien, um das Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien zu beobachten. Zudem sollte sich auch mit der katalanischen Linken ausgetauscht werden. Die folgenden Eindrücke sind dabei entstanden.

Generalstreik am 03. Oktober 2017

Am Dienstag sind die meisten Läden geschlossen. Die Bahnen und Züge fahren unregelmäßig oder gar nicht. Viele Straßen sind blockiert. Der Generalstreik lässt Katalonien still stehen – und bringt es in Bewegung. Um 12 Uhr startet die Demonstration in Vilanova. Etwa 8000 Menschen beteiligen sich, es ist die größte Demonstration der letzten Jahrzehnte in der Stadt. Die Masse schiebt sich langsam fließend die Rambla, die Hauptstraße der Stadt, hinunter Richtung Strand und biegt nach links ab. Die Placa de les Neus, der Platz an dem die Demonstration beginnt, füllt sich immer wieder von neuem. An der Kaserne der Guardia Civil angekommen, wird es ruhig. Die Sprechchöre werden leiser, alle heben ihre Hände und die Menge verstummt. Schweigend stehen Hunderte der Polizei gegenüber und erinnern an die Repression und die Verletzten während des Referendums. Der Ruf „Visca la terra“ – „Es lebe das Land“ erschallt und die Menge skandiert mit erhobenen Händen: „Estas son nuestras armas“ – „das sind unsere Waffen“. Auf dem Boden inmitten der Menge prangt der Schriftzug „Foteu el camp“, „sie sollen abhauen“. Die Ablehnung gegenüber der Militärpolizei Guardia Civil, die der Zentralregierung in Madrid untersteht, ist spätestens mit der Repression gegen das Referendum zum Massenphänomen geworden.

Barcelonas Straßen sind voller Menschen. Schon auf dem Weg zur Demo sind wir Teil der Demo. Die katalanische Fahne ist allgegenwärtig, vereinzelt sind auch spanische Fahnen zu sehen. Momente der Stille und des Schweigens werden abgelöst von Parolen, und der lautstarken Forderung, die älteste Polizeistation der Stadt in eine Bibliothek umzuwandeln. Aggressionen gegen die Polizei, sofern sie überhaupt auftreten, werden durch die Masse unterbunden. „Wir sind friedliche Leute“ – darin scheint man sich einig zu sein. Wenn die Situation eskaliert, dann wegen der „agent provocateurs“ der Polizei, macht die Menge deutlich. Denn eine Eskalation käme Madrid gelegen, um die Unabhängigkeitsbewegung zu kriminalisieren und Forderungen der Demonstrant*innen als illegitim darzustellen.

Auf dem Nachhauseweg stehen hunderte Menschen an Fenstern und Balkonen und klopfen mit Kochlöffeln auf Töpfe. Wir wundern uns, weil es erst 21 Uhr ist und der Topf-Schlag-Protest für die Unabhängigkeit normalerweise erst um 22 Uhr beginnt. Doch heute hält der König gerade eine Ansprache zu Katalonien. Und von einem König will man sich offensichtlich nichts über Demokratie erzählen lassen.

Antifaschistische Linke Freiburg (IL), Organisierte Linke Heilbronn (IL) & Friends, Oktober 2017.