Wir dokumentieren im Folgenden einen offenen Brief des Freiburger Forums aktiv gegen Ausgrenzung zur Unterbringung von Geflüchteten in Freiburg.

Offener Brief

An das Regierungspräsidium Freiburg, Referat 15.2 – Flüchtlingsaufnahme, Heinrich-von-Stephan-Str. 25, 79083 Freiburg

An die Stadt Freiburg, Amt für Migration und Integration, Rathausplatz 2 – 4, 79098 Freiburg

Gemeinsamer Brief an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg.

Corona-Pandemie und Sammelunterbringung von Geflüchteten in Freiburg.

In Freiburg leben etwa 2.000 Geflüchtete in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften und etwa 200 in der Landeserstaufnahmeeinrichtung. Jeder Person stehen 4,5 bis 7m² Wohnfläche zu. In der Erstaufnahme ist eine Wohnsitzauflage bis 18 Monate möglich und 24 Monate in einer Anschlussunterbringung. Viele teilen sich ein Zimmer. Drei, vier, aber auch fünf Personen sind die Regel. Während es in den kommunalen Unterkünften gemeinsam nutzbare Küchen in kleineren Einheiten gibt, findet in der Erstaufnahmeeinrichtung für die Bewohner*innen eine Zentralversorgung durch eine Kantine zu festgelegten Uhrzeiten statt.

Aktuell fallen in den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen die Sozialdienste aus und der Kontakt zu Unterstützer*innen ist nur noch online möglich. Die Menschen bleiben verunsichert in den Unterkünften zurück. Im Schnitt leben pro Unterkunft etwa 140 Menschen auf engem Raum. Wie wir wissen, ist Abstand halten in keiner der Unterkunft möglich. Oft leben zu viele Menschen auf kleinem Raum. Umzäunt, von einer Sicherheitsfirma bewacht.

Ansteckungsgefahr besonders hoch

Die Sammelunterbringung ist das Ergebnis jahrzehntelanger ausgrenzender Asylpolitik. Besonders fraglich ist die Unterbringung in der Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg, in der Geflüchtete mit minimalistischen Leistungen versorgt werden und ihre Grundrechte eingeschränkt sind. Durch die gemeinsame Nutzung von Wasch- und Duschräumen, zentrale Essensversorgung, Unterbringung in Mehrbettzimmern etc. ist die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus besonders gegeben. „Stay at home“ ist unter den Bedingungen in Sammelunterkünften nicht zumutbar. Es ist absehbar, dass sich Betroffene nicht an die Ausgangssperre halten, sondern Freund*innen/Bekannte besuchen oder sich im öffentlichen Raum aufhalten.

Was geschieht, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum in der Unterkunft krank werden? Wird die Unterkunft dann über Wochen in eine Art Massengefängnis wie in Suhl, Halberstadt und Geldersheim, verwandelt? Zieht dann jeder Protest einen Polizeieinsatz nach sich? Welche Auswirkungen hat das auf Kinder und Jugendliche, auf traumatisierte Personen und andere vulnerable Gruppen?

Schließung der Landeserstaufnahmeeinrichtung

Aktuell werden bundesweit immer mehr Erkrankungen aus Erstaufnahmeeinrichtungen und Anker-Zentren gemeldet. Auch aus Freiburg. Deshalb betonen wir: Es braucht – nicht nur in Corona-Zeiten – ein dezentrales Aufnahmekonzept. Das Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung fordert das Land Baden-Württemberg und die Stadt Freiburg auf, die Gesundheit aller Menschen im Blick zu haben und alle entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Der Staat muss seiner Schutzpflicht nachkommen. Konfliktlösung in den Lagern ohne Polizeieinsätze!

De Stadt Freiburg fordern wir auf, ihre Wohnungsakquise (Belegrecht von Wohnungen durch die Stadt) nun verstärkt umzusetzen, damit Geflüchtete die in überbelegten Sammelunterkünfte leben, diese verlassen können. Ferienwohnungen und Hotels stehen momentan ohnehin leer und dürften zu günstigen Konditionen anzumieten sein. Notfalls kommt auch eine Beschlagnahme in Betracht.

Rechtliche Grundlagen

Nach § 49 Absatz 2 Asylgesetz (AsylG) ist eine Verteilung aus einer Erstaufnahmeeinrichtung in eine Wohnung oder kommunale Unterkunft „aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge sowie aus sonstigen Gründen“ möglich. Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist durch den besonderen Umstand der Corona-Pandemie auf Null reduziert. Dies ergibt sich aus der Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben nach Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz. Auch Artikel 12 (Recht auf körperliche und geistige Gesundheit) des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte verlangt von den Vertragsstaaten, dass alle Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden um die „Behandlung und Bekämpfung epidemischer … Krankheiten vorzubeugen.“ Auch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) weist ausdrücklich daraufhin, dass das Ziel die Unterbrechung der Kontaktmöglichkeiten ist, sodass keine weitere Übertragung von Infektionskrankheiten erfolgen kann.

Weiterhin fordern wir:

  • Verlegung aller vulnerablen Personen aus den Sammelunterkünften.
    Ausreichende mehrsprachige Informationen über jeden Stand der Entwicklung.
    Jederzeitiger Zugang zum Internet.
    Entzerrung der Belegungsdichte, Nutzung aller Gebäudetracke.
    Bewohner*innen in Entscheidungsprozesse einbeziehen.
    Keine Leistungskürzung oder Leistungsverweigerung.
    Anmietung und Nutzung dezentraler Wohnmöglichkeiten, Gaststätten, Hotels etc..
    Bereitstellung von Ausrüstung für Quarantänefälle, z.B. Atemschutzmasken.
    Keine Polizeieinsätze in Sammelunterkünften.

Wir unterschreiben den Offenen Brief und unterstützen die Forderungen!

Unterschrieben von etwa 100 Einzelpersonen und 25 Gruppen und Organisationen aus Freiburg.

Einzelpersonen und Gruppen die den Offenen Brief an das Regierungspräsidium Freiburg und an die Stadt Freiburg unterschrieben haben.

Etwas mehr als einhundert Einzelpersonen haben unterschrieben, die hier nicht explizit gennant sind. Folgenden Gruppen haben unterschrieben: Feministische Gruppe Realitätenwerkstatt | Awareness-Team Freiburg | Antifaschistische Linke Freiburg | Recht auf Stadt Netzwerk | Freundeskreis Alassa & friends | Konrad Bohnacker |Brigitte Schultheiß | Projektleiterin/Geschäftsführerin, Pädagogische Werkstatt/PH Freiburg | Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung | Weitblick Freiburg | Solidarity City Freiburg | Andrea Klatt |Prof. Dr. Gesa Köbberling, Studiengangsleitung BA Soziale Arbeit, Evangelische Hochschule Freiburg | Sarah-Louise Müller, Pfarrerin ev. Pfarrgemeinde Freiburg-Südwest | attac freiburg | | Fantifa Freiburg | Südbadisches Aktionsbündnis gegen Abschiebungen | Aktion Bleiberecht Freiburg | Lea-watch-Freiburg | Our Voice e.V. | Hausprojekt LAMA | Abteilung für Sozialpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Pädagogischen Hochschule Freiburg | Schlüsselmensch e.V. | Kurdistan Solidaritäts-Komitee Freiburg | Medinetz Freiburg | Saliha Soylu | Prof. Dr. Sebastian Klus, DHBW Villingen-Schwenningen | Feministische Linke | Anarchistische Gruppe Freiburg | Pädagogische Team der Demokratischen Schule Kapriole Freiburg | Corona Solidarität Freiburg | FAU – Freiburg | Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg (aks Freiburg) | JUPI Fraktion | Wählervereinigung Urbanes Freiburg | Kay Raasch – Mitglied im Ver.di Landeserwerbslosenausschuss, Stellvertretendes Mitglied im Ver.di Bundeserwerbslosenausschuss und Mitglied im Sprecherrat vom Ökumenischen Asylforum Freiburg |