Der NSU_Komplex und die Saboteure der Aufklärung

Anti-demokratische Inlandsgeheimdienste, unkontrolliertes V-Mann-Unwesen, Nazi-Terror-Szene, rassistische Ermittlungen und Staatsversagen: Zwingende Konsequenzen aus dem NSU-Komplex

Veranstaltung mit Friedrich Burschel (NSU-Watch, Rosa Luxemburg Stiftung Berlin, Radio Lotte Weimar)

Donnerstag, 05.07. | 20 Uhr | Linkes Zentrum ¡adelante!

(HINWEIS: Sollte Donnerstag, der 05.07., auf die Urteilsverkündung im NSU-Prozess fallen, findet die Veranstaltung zwei Wochen später am 19.07. um 20 Uhr im Linken Zentrum ¡adelante! statt)

Hinter dem Agieren des terroristischen NSU und seines wohl Hunderte Personen umfassenden Unterstützer_innen-Netzwerks öffnete sich das Panorama des wohl größten Geheimdienstskandals der Geschichte der BRD und eines unvorstellbaren behördlichen Rassismus’ in den Mordermittlungen. Gegen die Familien und das soziale Umfeld der Opfer und die Ermordeten selbst wurde über Jahre mit kruden Vorwürfen und rassistischen Anschuldigungen ermittelt. Für die betroffenen Familien eine bis zu einem Jahrzehnt währende Demütigung, ohne dass je auch nur ansatzweise Spuren ins Nazi-Milieu verfolgt worden wären. Wie weit staatliche Verstrickung in das Geschehen gegangen ist, ist bis heute nicht im Geringsten geklärt, im Gegenteil: ein beispielloser Vertuschungs- und Obstruktionsskandal der unter Verdacht stehenden Behörden (Polizei, Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“, Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischer Abschirmdienst (MAD) usw.) überschattet selbst die Aufklärungsbemühungen Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse (im Bundestag I + II, in den Landesparlamenten von Thüringen I + II, Sachsen I + II, Hessen, Baden-Württemberg I + II, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Brandenburg und einem „Ausschuss light“ in MV) und des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht in München (seit 6.5.2013). Da werden Informationen vorenthalten und manipuliert, Akten geschreddert oder zurückgehalten und eine Aufklärung des Komplexes der Nazi-Informant_innen (sog. V-Leute) hintertrieben. Viele ungeklärte Fragen und haarsträubende Ungereimtheiten sind nach wie vor offen. Welche nationalen Netzwerke mit dem und internationalen Verbindungen zum NSU nachweisbar sind, ebenso.

Aber auch eine kritische und linke Öffentlichkeit hat von dem mörderischen Agieren des NSU keine Notiz genommen und sich von den Medien, die die Polizeiversionen ungeprüft und auflagensteigernd skandalisiert übernahmen, den Bären der kriminellen Machenschaften im „Ausländermilieu“ aufbinden lassen: niemand hat gegen die Etikettierung der grausamen Hinrichtungen als „Döner-Morde“ je lautstark protestiert oder – außer den Betroffenen – auch nur Zweifel angemeldet. Auch nachdem in Dortmund und Kassel, nach der Ermordung des Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık und des jungen Internetcafé-Betreibers Halit Yozgat am 4. bzw. 6. April 2006, tausende Menschen migrantischen Hintergrunds unter dem Motto „Kein 10. Opfer“ demonstrierten, wachte die Öffentlichkeit – mit den rassistischen Erklärungen offenbar einverstanden – nicht auf.

Immernoch nur verhalten und erst langsam artikuliert sich ein Aufschrei, der all das nicht mehr zu akzeptieren bereit ist und beginnt, eine öffentliche Diskussion der Skandale, des behördlichen und gesellschaftlichen Rassismus und der enormen Gefahren für das Gemeinwesen, die von den unkontrollierbaren (Inlands-)Geheimdiensten ausgehen, zu erzwingen. Einen großen Schub erfuhr diese öffentliche Skandalisierung etwa durch das „NSU-Tribunal“ in Köln Mitte im Mai 2017 mit seiner umfangreichen „Anklageschrift“ oder die brillant aufeinander abgestimmten Plädoyers der Nebenklage, in denen die Vertreter_innen der Betroffenen des NSU-Terrors noch einmal den ganzen Skandal auffächerten, den der „NSU-Komplex“ darstellt. Zu dieser Diskussion soll der Vortrag von Friedrich Burschel beitragen.

Friedrich Burschel ist Referent zum Schwerpunkt Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit bei der Akademie für Politische Bildung der Rosa Luxemburg Stiftung in Berlin. Er ist akkreditierter Korrespondent des nicht-kommerziellen Lokalsenders Radio Lotte Weimar im NSU-Prozess und Mitarbeiter von NSU-Watch (nsu-watch.info). Seine Audio- und Printbeiträge zum Prozess und zum NSU sind auf dem Antifra-Blog http://antifra.blog.rosalux.de oder auf der RLS-Homepage http://www.rosalux.de/index.php?id=24495 zu finden.

Die Veranstaltung wird unterstützt von der Antifaschistischen Linken Freiburg (IL), dem Referat für Politische Bildung – StuRa Uni Freiburg und dem Sozialreferat – StuRa Uni Freiburg.