La historia es nuestra y la hacen los pueblos (Salvador Allende)

In diesem Jahr jährt sich die Befreiung vom deutschen Faschismus zum 72. Mal. Der 8. Mai 1945 markierte mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht das Ende von Nazi-Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg – damals wie heute ein Grund zum Feiern!

Und dennoch sehen wir uns in Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks nicht nur erneut mit Rassismus, Sozialchauvinismus und Nationalismus konfrontiert, sondern auch mit einer zunehmenden Relativierung und Revision des Nationalsozialismus als Teil deutscher Geschichte. In vielen Fällen werden die Verbrechen von Täterinnen und Tätern verharmlost oder schlicht ignoriert – das Erinnern und Gedenken an die Opfer und Widerstandskämpfer wird von AfD-Spitzenpolitiker Björn Höcke als „Denkmal der Schande“ bezeichnet.

Hier in Freiburg tragen bis heute noch mehrere Straßen die Namen aktiver Unterstützer und Wegbereiter des Nationalsozialismus. Ein Straßenzug an der Dreisam ist beispielsweise nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt. Für die militärische Niederlage im ersten Weltkrieg versuchte er die demokratische Opposition durch die bekannte Propagandaparole der „Dolchstoßlegende“ verantwortlichen zu machen. Dadurch konnten antidemokratische, antisemitische und rechtsradikale – kurz reaktionäre – Kräfte, u.a die NSDAP, Auftrieb gewinnen. Hindenburg löste in seiner Funktion als Reichspräsident 1930 den Reichstag auf, berief Hitler zum Reichskanzler und löste durch seine Unterschrift unter dem sogenannten Ermächtigungsgesetz die Grundrechte der Verfassung auf. Damit steht er sinnbildlich für die alten Eliten, die sich mit dem Nationalsozialismus arrangierten und als Wegbereiter fungierten. Eine Umbenennung dieser nach ihm benannten Straße ist richtig und wichtig! Die Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen schlägt den ehemaligen SPD-Abgeordneten Otto Wels als Ersatz für Hindenburg vor. Dieser ist hauptsächlich dafür bekannt, dass er für die SPD die letzte freie Rede im Reichstag hielt. Den Nationalsozialismus bekämpfte er mit gleicher Hingabe wie den Kommunismus als Feinde der Demokratie.

Anstatt einer Hommage an Totalitarismus- und Extremismustheorie schlagen wir vor, den Fokus stärken auf die Hauptträger des antifaschistischen Widerstandes in Freiburg zu legen. Diese Menschen kämpften für demokratische Strukturen, soziale Gerechtigkeit, gegen Unterdrückung und Hass. Ihre selbstlosen Taten sind uns Legitimation und Vorbild zugleich. Ihre Geschichte zu verschweigen, hieße sie zu verleumden und damit denen Recht zu geben, die die Geschichte revidieren wollen. Wir wollen an die AntifaschistInnen aus unserer Region erinnern und benennen die ehemalige Hindenburgstraße nach dem Freiburger Freiheitskämpfer August (Gusti) Stöhr. Der in der Nähe von Waldkirch geborene gelernte Zimmermann kämpfte nach der Oktoberrevolution für die Rote Armee gegen die Konterrevolution und wurde in den 20er Jahren Mitglied der KPD, deren Ortsgruppen in Kollnau und Waldkirch er von 1927 bis 1929 leitete. Er war unter anderem Mitglied im Kampfbund gegen Faschismus und in der Roten Hilfe. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Stöhr wie viele AntifaschistInnen in sogenannte „Schutzhaft“ genommen, aus der er jedoch wenig später wieder entlassen wurde. Als im selben Sommer im Waldkircher Kastellwald Waffen gefunden und natürlich sofort die KPD dafür verantwortlich gemacht wurde, musste Stöhr aufgrund massiver Repression nach Basel flüchten. Aus dem Exil führte er den antifaschistischen Kampf fort. Als Abwehrleiter in der KPD-Grenzstelle war er für die Überprüfung, Unterbringung und Versorgung von geflüchteten EmigrantInnen zuständig. Die deutschen Behörden vermuteten außerdem, dass er illegale Druckschriften von der Schweiz nach Deutschland transportierte, Grenzübertritte für KommunistInnen nach Basel organisierte und die „militärpolitische Arbeit“ der KPD in Süddeutschland leitete. Ab Sommer 1936 organisierte Stöhr illegale Grenzübertritte für freiwilllige SpanienkämpferInnen nach Frankreich und kämpfte ab November selbst in den „Internationalen Brigaden“ gegen den faschistischen Militärputsch in Spanien. Als Stöhr 1938 nach Frankreich fliehen muss, wird er zunächst verhaftet und nach Kriegsbeginn interniert. Nachdem Frankreich ab Sommer 1940 teilweise von Deutschland besetzt wird, teilweise koooperierte, wird er wie viele SpanienkämpferInnen an die Nazis ausgeliefert und zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach seiner Befreiung im April 1945 aus einem Magdeburger Gefängnis war sein Gesundheitszustand aufgrund der Haftbedingungen so schlecht, dass Stöhr ein halbes Jahr im Krankenhaus verbringen musste. Trotzdem blieb er Zeit seines Lebens überzeugter Antifaschist, war wieder in der KPD aktiv und bekämpfte bis zu seinem Tod 1960 die personellen und strukturellen Kontinuitäten in der BRD und in Südbaden.
Egal ob auf Straßenschildern, oder auf der Straße gilt es Faschismus und Faschisten zu bekämpfen. Antifaschistischer Widerstand ist und bleibt legitim. Er darf weder vergessen, noch kriminalisiert werden! Deshalb:

Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!

Für eine antifaschistische Geschichtspolitik!

Weitere Informationen zu August Stöhr:
Broschüre aus dem Jahr 2010 (ALFR)
– Broschüre zu Spanienfreiwilligen aus Baden, Stand 2016 (Brigitte und Gerhard Brändle)