kurdistan-flyer-front_webAm Donnerstag, den 21.November, findet im Linken Zentrum Freiburg ¡adelante! [Glü­mer­straße 2] eine Veranstaltung unter dem Titel „Kurdische Demokratische Autonomie zwischen Friedensprozess, Repression und Krieg“ mit der Rechtsanwältin und Publizistin Brigitte Kiechle aus Karlsruhe statt, die jüngst an einer Tatort Kurdistan Delegation nach Westkurdistan teilnahm. Der Vortrag wird noch von einem Genossen aus Rojava ergänzt werden.

Los gehts um 20 Uhr, der Eintritt ist wie immer frei.

Die Veranstaltung machen wir mit dem Kurdischen Demokratischen Kulturverein e.V. und werden dabei von der SJD – Die Falken KV Freiburg unterstützt.

Veranstaltung: Kurdische Demokratische Autonomie zwischen Friedensprozess, Repression und Krieg | Do, 21.Nov. | 20 Uhr | Linkes Zentrum Freiburg ¡adelante! | Glü­mer­straße 2

„Kurdische Demokratische Autonomie zwischen Friedensprozess, Repression und Krieg“

In der Türkei war seit Oktober 2012 der als historische Chance und Möglichkeit eingeschätzte Friedensprozess im Gange. Doch der Lösungsprozess der kurdischen Frage geriet ins Stocken. Der Rückzug der PKK-Guerilla wurde gestoppt, denn die KCK-Trials gehen weiter, Abdullah Öcalan sitzt weiterhin in Isolationshaft und das türkische Militär baut seine Stellungen in Nordkurdistan aus. Das lange erwartete „Demokratisierungspaket“, mit dem Erdoğan seine Reformbereitschaft innerhalb des Prozesses unterstreichen sollte, wird zur Farce.

Kurdische Demokratische Autonomie…
Fast zeitgleich kam die kurdische Bewegung bei der Verwirklichung und Umsetzung des Konzeptes Demokratische Autonomie in Westkurdistan (Rojava), das auf syrischem Staatsgebiet liegt, weiter. Sie schlagen im Windschatten des Krieges in Syrien einen „Dritten Weg“ ein, bauen ihre Selbstverwaltungs- und Selbstverteidigungsstrukturen auf und aus und geraten deswegen vermehrt ins Visier. Im relativ stabilen Osten des Landes sehen sich kurdische Kräfte vermehrt aus der Türkei eingesickerten islamistischen Kräften gegenüber. Gleichzeitig schließt die Autonome Region Kurdistan im Nordirak die gemeinsame Grenze.

zwischen Friedensprozess, …
Einseitig hat die kurdische Bewegung einen Waffenstillstand verkündet, der im Newroz-Manifest von Abdullah Öcalan bekräftigt wurde und den Friedenswillen der kurdischen Seite weiter unterstreicht. Am 8. Mai 2013 begann die HPG (Hêzên Parastina Gel – militärischer Arm der PKK) mit dem Rückzug ihrer Einheiten aus dem türkischen Staatsgebiet. Das weiterhin ignorante Verhalten der türkischen Regierung zwang die kurdische Bewegung zu einem Stopp des Guerilla-Rückzugs und der Lösungsprozess geriet ins Stocken. Gründe hierfür waren die andauernde Inhaftierung tausender Aktivisten der sozialen Bewegungen und der kurdischen Freiheitsbewegung, die massive Militarisierung und der ökologische Kahlschlag durch den weiteren Ausbau der Staudämme und Wasserkraftwerke und die andauernde Isolationshaft gegen Abdullah Öcalan, dem im Friedensprozess eine zentrale Rolle zukommt.


Repression, …

Auch auf türkischem Staatsgebiet baut die kurdische Bewegung ihre Vorstellung von Selbstverwaltung, Basisdemokratie und  Emanzipation von unten und auch gegen den türkischen Staat auf. Die Union der Gemeinden Kurdistans (Koma Civakên Kurdistan – KCK) soll entsprechend des Konzepts des „Demokratischen Konföderalismus“ eine Keimzelle einer neuen Gesellschaft bilden. Der  türkische Staat reagiert mit einer Unmenge von Verfahren: Unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der KCK wurden bei  KCK-Operationen insgesamt über 8000 Menschen – darunter Abgeordnete, Bürgermeister, Rechtsanwälte, Journalisten,  Gewerkschafter, Menschenrechtler, Schüler – festgenommen, angeklagt, in U-Haft gefangen gehalten.
Einen Wendepunkt stellen die Taksim-Proteste auch für das Klima innerhalb der Türkei dar: Nach anfänglichem Zögern schlossen sich die kurdischen Kräfte entschlossen der Protestbewegung an. Die Hetze gegen die Bewegung, etwa durch die Bezeichnung aller  Protestierenden als Terroristen und Marodeure, zeigte vielen Menschen die Analogie zur Darstellung der kurdischen Bewegung in den Verlautbarungen der Regierung oder der Medien. Diese Darstellungen werden nun offenbar kritischer hinterfragt.

…und Krieg.
Die kurdischen Gebiete auf türkischem Staatsgebiet sind enorm militarisiert und stetig nimmt dies zu. Den Rückzug der HPG nutzte der türkische Staat zum weiteren Ausbau seiner Stellungen und Militäreinrichtungen. Und auch die BRD mischt kräftig mit: Im Zuge der historischen Waffenbruderschaft zwischen Deutschland und der Türkei schenkte die neue BRD so etwa nach der Einverleibung der DDR große NVA-Bestände dem Verbündeten. Hunderttausende Tränengaskartuschen „Made in Germany“ wurden gegen die Proteste auf dem Taksim-Platz eingesetzt. Verschiedene deutsche Sicherheitsbehörden bilden türkische Repressionsorgane aus. Heckler- und Koch hat mit Genehmigung der Bundesregierung einer türkischen Firma die Lizenz zur Fertigung des Schnellfeuergewehrs G36 überlassen. und zu guter Letzt griff die BRD mit der Stationierung von Patriot-Raketen und der Entsendung von Bundeswehreinheiten in die kurdischen Gebiete indirekt auch in den Syrien-Krieg ein.
In Westkurdistan ist die relative Stabilität der Region von islamistischen Kräften und geopolitischen Interessen verschiedener Fraktionen bedroht. Die Türkei fürchtet ob der Strahlkraft der Revolution in Westkurdistan für die kurdische Bewegung allgemein.
Derweil baut die kurdische Bewegung ihre Selbstverwaltung weiter auf, will per Verfassungswahlen den Status emokratisch legitimieren und wendet sich gegen eine Spaltung aufgrund von Kategorien wie Religionszugehörigkeit oder nach Bevölkerungsgruppen.

Wir haben Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin und Publizistin aus Karlsruhe, zu einem Vortrag mit dem Titel „Kurdische Demokratische Autonomie zwischen Friedensprozess, Repression und Krieg“ eingeladen.
Die Referentin wird jüngst von einer Delegation aus Rojava / Westkurdistan zurückgekehrt sein und ihre Eindrücke der Demokratischen Autonomie schildern, auf die internationalen Zusammenhänge eingehen und so ein eindrückliches Bild eines kurdischen Aufbruchs in Bewegung zeichnen.

Lesetipps:
PKK – Perspektiven des kurdischen Befreiungskampfes: Zwischen Selbstbestimmung, EU und Islam, Brauns, Nikolaus / Kiechle, Brigitte, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2010.
Infos zur Entwicklung in Westkurdistan gibt’s auf dieser Sonderseite von ISKU.